Dienstag, 29. Mai 2018

My life on wheels II: Veloziped

Dieser Post wird sich mit meinen Fahrrädern auseinandersetzen. Ich bin kein glühender Fahrradfreund, aber von allen zur Disposition stehenden sportlichen Tätigkeiten war das Radfahren stets eine der wenige die mir Spaß gemacht haben. In den prä-motorisierten Abschnitten meines Lebens bot das Fahrrad auch eine erhebliche Erweiterung der persönlichen Freiheit. Ich bin hunderte Male ins benachbarte Städchen geradelt um das Angebot des dortigen Spielwaren und Modellbauhändlers zu checken.

Mein allererstes Kinderfahrrad ist ein Fahrzeug an welches ich eher schmerzliche Erinnerungen habe. Mein Bruder hatte es auf dem Sperrmüll gefunden und mich damit beglückt. Jedoch brach nach kurzer Zeit die Gabel am Steuerkopf ab und das Fahrrad wurde als irreparabel wieder entsorgt. Am meisten erinnere ich mich an die Enttäuschung das coole Ding wieder abgeben zu müssen. Da sind bestimmt Tränen geflossen.

Ein kurzer Moment des Glücks

Diesem Fahrrad folgte ein 20" Kinderrad, gebraucht, keine Ahnung woher das kam. Mit diesem Rad bin ich mal böse gestürzt und rammte mir dabei den Bremsgriff in den Oberschenkel. Musste mit fünf Stichen genäht werden. Das Fahrrad ist Geschichte, die Narbe habe ich heute noch.

Dem folgte, zu Ostern 1974 glaube ich, mein erstes Neu-Fahrzeug: ein 24" Jugendrad in Bordeaux Rot, was auch so ziemlich alles ist woran ich mich erinnere. Jedenfalls taugte dieses Rad schon für richtige Rad-Touren mit meinen Eltern und besagte Ausflüge in den Speilzeugladen.

Im Zenith meiner Kindheit, an der Schwelle zur Pubertät begehrte ich dann aber ein "richtiges" Fahrrad. Minimum 28", darunter wollte ich es nicht mehr tun. Es wurde dann, nachdem ich meine Eltern ausgiebigst genervt hatte, ein HWE Sportrad in gelb metallic. Leider gibt es von diesem Fahrrad keine originalen Fotos und auch im Web musste ich sehr lange suchen bis ich etwas entsprechendes gefunden habe.

 
So in etwa..

Das sagt übrigens einiges über die Qualität dieses Fahrrades aus. Exemplare dieser Art sind einfach verschwunden von dieser Welt weil sie schlicht verschlissen sind. Obwohl mit 300 DM nicht billig, war die Qualität dieses Fahrrades, an heutigen Maßstäben gemessen, schlecht. Wenn man sich heute für 299 Euro ein Fahrrad bei Aldi kauft (nein, den doppelt-so-teuer-Vergleich lasse ich nicht gelten) bekommt man etwas Besseres. HWE (Heidemann Werke Einbeck) war ein deutscher Hersteller und auch alle Komponenten am Rad waren deutscher Provinienz: Lampen von Union, Sachs Torpedo Nabe, Magura Bremsen, Felgen garantiert von Weinmann. Aber irgendwie war das alles auf der letzten Rille zusammengeschustert. Als erstes verabschiedete sich der schicke Scheinwerfer auf dem Schutzblech. Das dünne Alu war den Hebelkräften des Lampenfußes nicht lange gewachsen. Die Pedale knarzten nach kurzer Zeit und irgendwann gab auch die Gabel auf. Als ich es neu bekam war ich natürlich stolz wie Oskar. Dass das Rad "nur" eine Dreigangnabe hatte, empfand ich eher als Vorteil, weil ich Zeuge werden durfte wie meine Klassenkameraden mit ihren Zehngang Kettenschaltern kämpften. Immer dieses Rumgemurkse mit den fipsigen Stellhebeln die dazu noch so bescheuert am Unterrohr befestigt waren. Noch mehr bemitleidete ich die Dummköpfe die sich Fahrräder mit Rennradlenker hatten schenken lassen. Die konnten dann wählen zwischen Nackenstarre oder sie mussten sich zum Bremsen jedes mal bücken. Da war der "französische" Lenker an meinem Rad schon besser. Und der Rücktritt bremste auch gescheit! Dieses Fahrrad begleitete mich bis in die 90er. Es wurde mir schließlich in Wuppertal aus dem Hinterhof geklaut. Was mit Sicherheit damit zusammenhing, dass ich es mit einem Hochsicherheits-Zahlenschloß für fünf Mark abgeschlossen hatte.

Dem HWE folgten ein Baumarktrad und ein Kettler "Daxi", beide nicht wirklich der Rede wert. Das eine wurde gestohlen (aus dem Keller im Mietshaus) das andere an den Nachbarn verkauft.

1999 kaufte ich mir ein gebrauchtes MARIN "Team Marin" Mountainbike. Ein Kommilitone von mir hatte mit Marin Fahrrädern gehandelt und daher hatte der Name einen guten Klang in meinem Ohr.
Nur: Das Marin ist eigentlich ein reines Sportgerät, ich benötigte ein eher paktisches, alltagstaugliches Fahrrad. Zudem ist der Rahmen des Marin viel zu lang für meine Körpergröße. Das führte dazu, dass mein Fahrrad einige An- und Umbauten erhielt, welche den sportlichen Charakter des Rades doch sehr schändeten. Ein Porsche mit Dachbox und Anhängerkupplung sozusagen. Andererseits entstand so ein wirklich solides Gefährt welches mir bis heute gute Dienste leistet.

Team Marin: Gezähmtes Rennpferd

In den frühen 2000ern legte ich mir einen Fahrrad Oldtimer zu: ein 1951er Vaterland Herren Sportrad. Vaterland in Neuenrade, Sauerland verfolgte ein interessantes Marketingkonzept. Vaterland Räder konnte man ausschließlich über einen Katalog bestellen. So konnte man sich ein maßkonfektioniertes Fahrrad zusammenstellen mit allen möglichen Extras bis hin zum mit Monogramm versehenen Rahmen. Mein Vaterland ist ein Modell der gehobenen Mittelklasse: farbig lackiert, mit Alu Schutzblechen, Rigida Felgen, Kilometerzähler an der Radnabe,  Sachs Rücktrittnabe UND 3-Gang Kettenschaltung.
Das Rad hatte sogar eine gefederte Sattelstütze. Mit diesem Rad hatte ich jedoch das umgekehrte Problem wie mit dem Marin, der Rahmen ist zu klein für mich. Also musste ich auch hier Umbauten vornehmen: Eine höhere Sattelstütze, höheren Vorbau und - für den Komfort - ein Brooks Sattel. Im Vergleich zu meinem HWE ist dieses Rad von hervorragender Qualität. Ein schöner Cruiser mit dem ich schon sehr nette Oldtimer Touren unternommen habe.

'51 Vaterland Sportrad

Zum Vaterland gesellte sich noch ein 1959er NSU Sportrad, welches ich für sage und schreibe 2 DM bei ebay ersteigert hatte. Durch intensives Putzen und 150 DM Investition machte ich daraus einen ansehnlichen Patina-Looker. Das fahren war aber eher anstrengend auf diesem Rad, da es sehr lang übersetzt war.  Daher stand es lange bei uns im Hausflur als Dekostück. Als die Anschaffung der Kreidler RS ins Haus stand habe ich es verkauft.

'59 NSU Sportrad, mit verbotener "Sturmklingel"

Ich muss zugeben, meine Liebe zum historischen Fahrrad ist etwas abgekühlt, eine Folge meiner intensiveren Beschäftigung mit meinem motorisierten Altmetall. Das Vaterland steht gut abgedeckt in der Garage und harrt der nächsten Cruiser Tour.

Die beste Frau von Allen hat sich 2016 ein E-Bike (korrekt: eine Pedelec) angeschafft, was dazu führte dass sie vom Fahrradmuffel zur begeisterten Radlerin mutierte. Das habe ich mir eine Zeit lang angesehen, zunächst überzeugt ich sei noch zu jung für ein solches Rentnergerät. Ein Urlaub in den Bergen belehrte mich aber eines Besseren. An einem Tag mieteten wir Pedelecs und machten eine sehr ausgedehnte Tour durchs Alpenvorland. Das E-Bike ermöglichte mir plötzlich Strecken, bzw. Steigungen zu meistern welche ich vorher nicht einmal im Traum in Angriff genommen hätte. Sehr zu Verdruss der harten Jungs mit ihren "richtigen" Fahrrädern kommen plötzlich auch übergewichtige Weicheier wie ich in den Genuss von Passfahrten. Das nenne ich Demokratie durch Technik. Gut, nun lebe ich ja im Flachland. Passfahrten sind hier eher nicht zu bewältigen. Und mit dem Marin bin ich eigentlich immer gut ausgekommen. Ich musste mir also eine ausgeklügelte Selbstindoktrination verpassen um die nicht ganz billige Anschaffung eine E-Bikes vor mir selbst zu rechtfertigen. Meiner Frau brauche ich da nichts zu erzählen, die ist zu schlau um auf meine Milchmädchenargumentationen zu hören. Und weil sie eben die Beste von Allen ist, hat sich mich gewähren lassen. Um es auf den Punkt zu bringen: E-Bike fahren ist auch im Flachland geil! Bei kurzen "Geschäftsfahrten" volle Unterstützung rein und schnell ans Ziel geflitzt, das ist wie Mofa fahren. Auf längeren Touren erstmal ohne Unterstützung losfahren und wenn der Arsch anfängt weh zu tun oder der Gegenwind pustet, mit halber Kraft unterstützen. Man ist nicht schneller, aber weniger angestrengt. Man muss natürlich den leisen Spott von Standhaften und Unwissenden aushalten können, denn noch tendiert das Image des E-Bikes in Richtung Versehrtenhilfe aber das wird sich bald ändern. Ich habe einstweilen meinen Spaß damit.

Neu im Zoo: Specialized turbo Pedelec




2 Kommentare:

  1. Total cool wie du deine Berichte verfasst...einfach nur mega.....bin selbst bj. Dez. 1965....geil

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  2. Gute Quelle für Mofa Ciao und Ersatzteile:
    https://trovas.ch/?title=mofa+ciao

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