Mittwoch, 22. Mai 2013

Bella Machina!

Dass ich ab und zu an meinen Mopeds schraube bleibt meiner Umwelt nicht verborgen. So sprach mich neulich eine befreundete Nachbarin an, sie habe einen Roller und ob ich wohl mal danach schauen könnte. Der Roller sei vor einigen Jahren eingemottet worden und springe nun nicht mehr an. Edel (und neugierig) wie ich bin, sagte ich zu. Bei dem Fahrzeug handelt es sich um ein italienisches Fabrikat, nämlich um eine Malaguti Yesterday.

Der Name Malaguti klingt mit verwegenem Klang in meinen Ohren. In den frühen achtzigern beäugten wir die Malagutis mit einer Mischung aus Bewunderung und Verachtung. Einer meiner Klassenkameraden hatte ein Malaguti Ronco Mofa mit 5-gang Fußschaltung (!), was für allgemeine Erheiterung auf dem Schulhof sorgte. Ha ha, alle 5 km/h schalten, ha ha. Das Lachen verging uns als der handwerklich begabte Mitschüler seine Ronco auf etwa 80 km/h getunt hatte, da ergaben die fünf Gänge einen Sinn. Auch die noch exotischere Malaguti Fifty hatte einen Ruf als heißes Eisen. Dennoch hatten die Malagutis immer etwas von "auf dicke Hose machen" an sich, jedenfalls für uns an Hercules, Kreidler und Zündapp gewöhnte Vorstadtkinder.

Malaguti Ronco Mofa

Malaguti Fifty
Nun also sollte ich eine Malaguti Yesterday wieder zum leben erwecken. Ich war recht zuversichtlich dass es sich nur um kleine Probleme handeln konnte, schließlich war das Teil vor der Einmottung gelaufen. Mein Plan war (wie immer) erstmal Zündfunken checken, Vergaser reinigen "und fertig."
Damit fing der Ärger an.
In meiner Naivität war ich davon ausgegangen. dass sich an besagtem Roller abnehmbare Verkleidungen befänden welche den Zugang zur Technik ermöglichen. Weit gefehlt! Eine einfach durchzuführende Wartung der Antriebsaggregate ist im technischen Konzept der Malaguti Yesterday nicht vorgesehen. Dies liegt im Konstruktionsprinzip des Fahrzeugs begründet. Grundlage des Ganzen ist eine Rahmenkonstruktion bei der ein Gartenstuhl mit einem Damenfahrradrahmen zwangsverheiratet wurde. An der Damenfahrradhäfte ist eine Telegabel samt scheibengebremstem Rad angebracht. Am hinteren Ende findet sich eine Motor/Getriebe/Schwinge-Einheit, in die freien Ecken sind verschiedene Betriebmittelbehälter (Getrenntschmierung) gezwängt und fertig ist das Fahrzeug.

Um dem Ganzen ein gefälliges Aussehen zu geben wird das Grundgerüst samt Aggregaten großzügig mit einer Kunststoffverschalung umhült welche - der Name "Yesterday" deutet es an - im gefälligen Retrodesign gehalten ist. Wahrscheinlich gab's für den selben Unterbau andere schicke Verpackungen in den Geschmacksrichtungen "sportlich" und "economy". Jedenfalls wären die Italiener blöd gewesen wenn sie es nicht so gemacht hätten.

Plasta Italia: Malaguti Yesterday
 
Zu meiner allergrößten Bestürzung musste ich feststellen dass diese Verschalung, denn Karosserie kann man es wirklich nicht nennen, mittels Spaxschrauben (nochmal in Versalien: SPAXSCHRAUBEN!!!) am Rahmen befestigt sind. Zu dieser Erkenntnis gelangte ich zwangsweise da zur Freilegung des Motors ein großer Teil der Verschalung abgenommen werden muss. Eigentlich der gesamte hintere Teil des Rollers inklusive Sitzbank, Gepäckträger, Reserveradattrappe und Helmfach. Bis ich den Vergaser das erste mal sah war schon eine gute Stunde Basteln ins Land gegangen, und das auch nur weil mir die Besitzerin des Rollers helfend zur Seite stand. Danach gelang es mir zügig meinen "Plan" abzuarbeiten. Zündfunke war da, nach der Reinigung des Vergasers sprang der Motor wieder an. Die nach soviel Arbeit freigelegte Technik fand ich (aus meinem zugegeben eingeschränkten Blickwinkel) durchaus beeindruckend. Getrenntschmierung und Unterdruckbenzinpumpe statt Benzinhahn gab's bei Kreidler und Co. noch nicht. Vom E-Starter ganz zu schweigen. Auf den E-Start mussten wir, der toten Batterie war es geschuldet, verzichten. Wenigstens ließ sich der Roller per Kickstarter klaglos in Betrieb nehmen. Die Montage der Verschalung ging dann innerhalb einer halben Stunde relativ schnell von statten.

Mir als heldenhaftem Wiedererwecker des Rollers gestand die Besitzerin auch die erste Probefahrt zu. Und ich muss zugeben: Ich war doch recht beeindruckt vom Temperament und den Fahrleistungen Rollers! Alle Achtung!

Tja, was soll man von dieser Fahrzeuggattung nun halten? Man hört ja den Spott in meinen Worten ob des hemdsärmiligen Aufbaus. Andererseits muss ich natürlich einräumen, dass die von mir so geliebten von M6er Schrauben wartungsfreundlich zusammengehaltenen 50er vom Markt verschwunden sind. Wahrscheinlich stellen die Plastikroller einfach die nächste Evolutionsstufe im niedervolumigen Individualverkehr dar. Was mal wieder beweist, das manches früher vielleicht besser, größer, schöner aber nicht unbedingt überlebensfähig war. Siehe Dinosaurier.


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